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Wie ich schreibe

(erschienen in Wie der Löwe ins Kinderbuch flog ...:
Geheimnisse erfolgreicher Kinder- und Jugendbuchmacher
)

Wenn ich an einer Geschichte schreibe, so arbeite ich am liebsten zu Hause. Nach einem (späten) Frühstück setze ich mich an den Computer in meinem Arbeitszimmer. Vor dem Schreibtisch ist ein großes Fenster, das von der Decke bis zum Boden reicht, und ich kann, wenn ich nicht auf den Bildschirm starre, in die Ferne auf ein Feld, auf Sträucher und Bäume schauen.

Ich beginne zu schreiben. Was ich schreibe, habe ich mir zuvor überlegt. Doch meistens bleibe ich nicht lange sitzen, denn schon bald habe ich das aufgeschrieben, was ich mir ausgedacht hatte und muss nun überlegen, was als nächstes passiert. Zwar habe ich mir die ganze Geschichte schon ausgedacht und weiß, um was es geht, aber wie das erzählt werden soll weiß ich noch nicht. Beim Schreiben muss man sehr viele Entscheidungen treffen. Eine Geschichte kann diesen oder jenen Weg gehen – welcher ist besser, fühlt sich richtig an? Ich versuche mir ganz genau vorzustellen, was jetzt als nächstes passieren könnte. Dieses Vorstellen ist für mich eine hoch-konzentrierte Angelegenheit, es fühlt sich an, als ob ich mich ganz genau an etwas erinnern müsste, was vor langer Zeit passiert ist. Dabei mache ich das Gegenteil, denn ich entwickle ja die Zukunft der Geschichte. Manchmal sitze ich beim Imaginieren mit geschlossenen Augen auf dem Sofa oder ich laufe unruhig von einem Zimmer zum anderen. Ich stelle mir vor, wie die Geschichte so oder anders verläuft – und dann muss ich entscheiden, welche Version mir besser gefällt. Wenn ich mich dann entschieden habe, setze ich mich wieder an den Computer und schreibe weiter. Manchmal höre ich ganz leise Musik nebenbei (auf keinen Fall Radio!), aber meistens ist es doch eher still um mich herum.

Auf diese Weise arbeite ich etwa drei Stunden, dann mache ich Pause, koche und esse, lese, trinke Tee. Danach lese ich, was ich bis dahin geschrieben habe, verändere es, weil mir eine Beschreibung vielleicht nicht gefällt oder ich die Wortwahl nicht gelungen finde und denke nach, wie es weitergehen könnte.

Ich bin eher eine Kurzstreckenläuferin, als eine Durchbeisserin. Das heißt, ich kann mich für kurze Zeit ganz stark konzentrieren und viel schreiben. Aber wenn ich dann stecken bleibe, dann kann ich mich leider nicht hinsetzen und darauf warten (und vertrauen), dass mir etwas einfällt, wenn ich nur lange genug nachdenke. Manche können das, aber ich werde dann nur ungeheuer müde. Ich muss etwas tun, mich bewegen, am besten spazieren gehen und dabei nachdenken. Manchmal komme ich dennoch nicht weiter, dann verschwindet die Geschichte irgendwann in der Schublade und ich ärgere mich über mich. Manchmal kommen mir auch Ideen, wenn ich auf Reisen bin. Das sind dann meist kürzere Geschichten, zum Beispiel Bilderbuchtexte. Aber fürs Schreiben bin ich am liebsten zu Hause.

Ich kann mich an mich als Kind gut erinnern und weiß, wie ich mir manche Dinge erklärt habe, mir die Welt zurecht gebastelt habe, über was ich mir Gedanken gemacht habe. Ich frage mich auch häufig, wie Menschen, die ich kenne, als Kind waren. Wenn ich eine realistische Kindergeschichte schreibe, so muss ich mich in diese Figuren hineinversetzen können, es müssen sich eigenständige Charaktere entwickeln. Die Figuren sind dann für mich wie Freunde, die ich gut kenne. Ich weiß genau, dass sie dies oder jenes nie tun würden oder was ihre Lieblingsfarbe ist.

Es gibt eine Geschichte (Ein Wunschhund für Oskar) in der ziemlich viel selber erlebtes von mir steckt. Ein Junge, Oskar, leiht sich einen Hund von einem Bauern aus, die beiden gehen zusammen spazieren. Irgendwann läßt Oskar den Hund von der Leine, obwohl er das nicht soll. Der Hund jagt einem Hasen hinterher und verschwindet. Oskar hat Angst, dass der Hund nie wieder zurück kommt, geht aber schließlich zurück zum Bauern, um alles zu beichten – da ist der Hund schon längst wieder zu Hause, es ist nichts passiert.

Ich habe mir als Kind auch einen Hund ausgeliehen, ihn von der Leine gelassen und der haute dann ab. Ich war allerdings nicht so mutig, wie der Junge in meiner Geschichte. Ich ging nicht zurück zum Besitzer, weil ich zu große Angst hatte, dass der Hund nie wieder zurück käme und ich dann schuld sei.

Erst Wochen später fragte ich den Besitzer. Der Hund war einfach nach Hause gelaufen. Aber ich lieh ihn nie wieder aus, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte.

Ansonsten fließen eher Details aus meinem Leben in die Geschichten. Jemand hat eine Lieblingsfarbe wie ich, es gibt ein Essen, was ich als Kind gerne mochte, oder jemand hat eine ähnliche Eigenschaft wie ein Freund von mir.

Schon als Kind habe ich sehr gerne gelesen. Das Eintauchen in Geschichten, in erzählte Paralleluniversen empfinde ich als sehr lebensbereichernd. Mit dem Schreiben von Geschichten kann ich Welten in mir erschaffen und anderen zugänglich machen. Das tun zu dürfen ist für mich glückvoll und darüber bin ich sehr dankbar.

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Illustrationen: Philip Waechter